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Neoliberal oder Neosozial?

Update: Der Gastvortrag fällt leider aus!!!

nun gut, Anlass meines Beitrages ist ein Gastvortrag der am 29.10.2012 in der FH Köln stattfinden wird. Zu Gast ist Prof. Dr. Stephan Lessenich von der Uni Jena. Und eben der hat sich Gedanken über den Begriff neoliberal gemacht und statt diesem als treffenderen den Begriff des Neosozialen vorgeschlagen. Ich hatte sein Buch (Die Neuerfindung des Sozialen; 2009) schon vor Längerem gelesen, aber jetzt zum anstehenden Gastvortrag wollte ich mich mal zu einem Beitrag dazu durchringen: 

Wie Stephan Lessenich in seinem Buch beschreibt, greifen Diskussionen über einen allmählichen Rückzug des Sozialstaates und ein Erstarken neoliberaler Denkweisen zu kurz. Vielmehr verändert sich sozialpolitisches Handeln fundamental, was sich laut Lessenich treffender unter dem Terminus des neosozialen, als unter dem Terminus des neoliberalen zusammenfassen lässt. Neoliberal suggeriere ja der Sozialstaat würde sich zurück ziehen. Das genau sei aber nicht der Fall, vielmehr verändere er sich und dehne sein Wirkungsfeld aus. Der sich sorgende Sozialstaat verändere, so Lessenich, sein Handeln in Richtung einer Aktivierung der Menschen. Was heißt das nun? Der Aktivierungs-Diskurs, stellt eine neue Anordnung des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft dar. Im Mittelpunkt steht bei der Aktivierung nicht mehr das Individuum, mit seinen Bedürfnissen und Rechten, sondern vielmehr die gesamte Gesellschaft. Sie zu fördern ist das Ziel aktivierender Politik. Auf der Grundlage dieser Veränderung der Beziehung des Einzelnen zur Gesellschaft wird sozialpolitisches Handeln – wie es beispielsweise in der Zahlung von Arbeitslosengeld II zum Ausdruck kommt – neu organisiert. Als Orientierungspunkte für eine solche Ausrichtung einer Aktivierungspolitik nennt Lessenich u. a. die schon durch die EU angestrebte Zieldimension der Beschäftigungsfähigkeit (2009: 88). Doch was folgt nun daraus? Wenn also der Referenzpunkt gegenwärtiger Sozialpolitik gesellschaftliche Interessen sind, dann ist es nur konsequent, Menschen nicht lediglich zu fördern, sondern von ihnen auch zu fordern, wie es als Grundsatz des Arbeitslosengeld II lautet. Sozialpolitik verortet ihren Auftrag dann vielmehr in der Aktivierung der Einzelnen Individuen für die Ermöglichung gesellschaftlicher Wohlfahrt als in der Unterstützung dieser.

Das mag auf den ersten Blick sogar Zustimmung finden, ist aber bedenklicher als man meinen könnte. Ein Beispiel hierzu, welches mir in meiner Arbeit begegnet ist, sind sogenannte „Lernsommer“ oder „Feriencamps“. Kinder und Jugendliche, die den Ansprüchen der Schule vermeintlich nicht genügen, bekommen in diesen Camps die „Chance“ (z.T. schulisch hergestellte) „Rückstände“ aufzuarbeiten. Ganz im Sinne dessen was Lessenich neosozial nennt, steht hier hinter die versteckte Forderung: Engagier dich für deinen Bildungsweg, sonst bist du selbst Schuld! Eine gegensätzliche Herangehensweise könnte stattdessen sein, SchülerInnen anders in der Schule zu fördern, statt diese in den Ferien nachsitzen zu lassen. Vielmehr wird in der neosozialen Logik aber gefordert, sich selbst anzustrengen, um nicht (später) der Gemeinschaft zur Last zu fallen. Sozialstaat und Bildung sind dann aber zuvorderst kein Recht eines jeden Menschen gegenüber eines versorgenden Sozialstaates mehr, sondern der Sozialstaat sieht seine Aufgabe vielmehr in der Aktivierung der Einzelnen für die Gesellschaft. Die Forderung, sich selbst um seine Rente zu kümmern, statt auf staatliche Renten zu vertrauen, ist übrigens ebenso ein Beispiel neosozialer Politik. Hier steht nicht der einzelne, den es zu versorgen gilt im Zentrum, sondern der Staat, den es zu schonen gilt.

Ich finde seine Analysen sehr treffend und freue mich auf seinen natürlich kostenlosen und öffentlichen Vortrag, zu dem ihr herzlich eingeladen seid. Gerade diese Unterscheidung oder Frage, wer oder was denn eigentlich der Referenzpunkt von Sozialpolitik ist, ist doch eine sehr treffende Beobachtung von Lessenich. Freuen tät ich mich übrigens auch über Kommentare von euch auf dieser Seite hier…

Für die von euch, die gern mehr wollen, hier ein Interview von Stephan Lessenich (youtube).

Und zuletzt nochmal die genauen Infos zum Vortrag:

Gastvortrag Prof. Dr. Stephan Lessenich

Montag, 29.10.2012, 14:00 Uhr,
FH Köln (Ubierring 48, 50678 Köln); Raum 218

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